Wenn man sich die veröffentlichten Listen und Personen zur Kommunalwahl in Roßdorf genauer anschaut, dann fällt einem auf, dass die aktuelle und zur Wiederwahl anstehende einzige Kandidatin, die Bürgermeisterin Christel Sprößler, auf Listenplatz 1 der SPD steht. Doch in die Gemeindevertretung wird sie bestimmt nicht einziehen, denn dafür müsste sie ja gleichzeitig ihr Bürgermeisteramt aufgeben, für das sie am gleichen Tag ebenfalls sicherlich gewählt werden würde. Damit ist diese Spitzenplatz-Kandidatur nur „Fake“.
Wie schon so oft in den letzten Jahren. Und das, obwohl sie ja eigentlich Bürgermeisterin aller Bürger sein möchte.
Es schickt sich gerade in dieser Situation nicht, gleichzeitig Zugpferd für die eigene Partei zu sein, da sie das Gemeindevertreteramt zwar als Bürgermeisterin nicht annehmen darf, die Stimmen ihrer Partei aber trotzdem nicht verlorengehen und dafür jemand anderer nachrückt.
Rein rechtlich ist das möglich, bestätigte der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB). Allerdings müsste sich Sprößler im Fall, dass sie gewählt werde, innerhalb einer Woche entscheiden, ob sie Bürgermeisterin bleiben wolle oder ihr Mandat in der Gemeindevertretung annehme. Verzichtet sie, werde ein Nachrücker bestimmt.
Gilt das auch für andere Mitarbeiter der Verwaltung?
Das kommt auf die Entgeltgruppe an. Bis einschließlich der Einstufung 9b dürfe ein Verwaltungsmitarbeiter in der Kommune, in dessen Rathaus er tätig ist, für das Parlament kandidieren und ein gewonnenes Mandat auch annehmen, heißt es vom HSGB. Über dieser Entgeltgruppe gilt das Gleiche wie für einen Bürgermeister: Innerhalb von einer Woche muss sich der Gewählte entscheiden, ob er sein Mandat annimmt und dafür auf seinen Job verzichtet. Auch das wäre dann eher unwahrscheinlich.
Ist ein solches Vorgehen wie jetzt in Roßdorf häufiger zu beobachten?
Es ist zumindest kein Einzelfall. In Roßdorf ist dies schon die letzten Male zu beobachten gewesen. Und in anderen Orten Hessens sei dies durchaus auch zu beobachten, sagt der HSGB.
Und wie bewerten WiR die Kandidatur?
WiR sehen das erneut sehr kritisch, zumal ja parallel am gleichen Tag die Bürgermeister-Direktwahl stattfindet, ohne weiteren Bürgermeister-Kandidaten. Ein Bürgermeister sollte sein Amt immer in neutraler Weise ausführen. Frau Sprößler versucht aber erneut mit ihrer Spitzenplatz-Kandidatur auch auf der SPD-Liste im Ort Stimmen einzusammeln. Ihre Kandidatur sei „allenfalls ein Trick der SPD, die Wählerinnen und Wähler zu täuschen“, so WiR-Fraktionsmitglied Matthias Monien und ergänzt: „Jetzt als Spitzenkandidatin für die SPD anzutreten, ohne in Wirklichkeit Gemeindevertreterin werden zu wollen, ist nicht ihr erstes Märchen und dem Wähler wird hier leider etwas vorgemacht.“ Fraktionsgeschäftsführer Martin Heß ergänzt: „Die wählende Bevölkerung sollte sich also durchaus bewusst sein, dass die Stimmen für Frau Sprößler dahingehend ‚verloren‘ sind, als dass sie persönlich das Amt als Gemeindevertreterin wohl kaum übernehmen wird.“
Im Landkreis Darmstadt-Dieburg hat man da anscheinend bei der SPD zum Teil die gleiche Meinung, so wie es unsere schnelle Recherche ergab: Reinheim: amtierender Bürgermeister Listenplatz 1 SPD; Ober-Ramstadt: amtierender Bürgermeister Listenplatz 1 SPD; Bickenbach: amtierender Bürgermeister Listenplatz 1 SPD. Selbst der amtierende Landrat Schellhaas (SPD) kandidiert am 14. März für den Kreistag, obwohl die Landratswahlen erst später stattfinden und er vermutlich auch das Eherenamt des Kreistagsmitgliedes nicht annehmen wird.
Interessant ist aber dennoch, wie man in anderen Kommunen in Hessen dies als amtierender Bürgermeister handhabt: Da stehen die amtierenden Bürgermeister, egal, ob ebenfalls in Kürze Bürgermeisterdirektwahlen anstehen oder nicht, entweder als letzter Kandidat zur Unterstützung auf der jeweiligen Liste oder gar nicht.
Warum das in Roßdorf nicht auch möglich ist, können WiR nicht beantworten. WiR hoffen aber, dass Sie lassen sich nicht täuschen und machen genau an der richtigen Stelle Ihr Kreuz bei den anstehenden Gemeindevertreterwahlen in Roßdorf und bei den Kreistagswahlen.
Matthias Monien
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